Sordino: die Wiederentdeckung einer alten Klanglichkeit

Ein Quantensprung der dynamischen und spektralen Ausdruckspalette des modernen Konzertflügels

Das “Sordino” war im ersten Drittel des 19. Jhdts. eine übliche Einrichtung bei Flügeln der Firmen Graf (Wien) und Erard (Paris). Heute bietet Steingraeber diese Funktion dank einer Anregung des Pianisten Jura Margulis wieder an. Ein sehr feiner Filz schiebt sich horizontal zwischen Hammer und Saite und lässt Tonänderungen zu, wie sie z.B. bei Franz Schubert als “fp” notiert sind.

Die Möglichkeiten der Sordino-Auslösung sind vielfältig und können von Pianisten selbst bestimmt werden. Die beliebteste Ausführung ist die Belegung des mittleren Pedals, wobei zwischen Tonhalten und Sordino manuell umgeschaltet werden kann. Möglich sind aber auch ein Kniehebel oder ein viertes Pedal.

Jura Margulis, der Deutsch-Amerikanische Pianist russischer Abstammung, war der künstlerische Auslöser dafür, dass Steingraeber diese Idee aus dem späten 18. Jahrhundert wieder aufgegriffen hat und in einen modernen Flügel D-232 einbaute. Margulis: „Das Margulis-Steingraeber-Sordino-Pedal (MSSP) ist ein Quantensprung der dynamischen (Klangvolumen) und spektralen (Klangfarbe) Ausdruckspalette des modernen Konzertflügels“. Margulis spielte mit dieser Klangerweiterung seine neue Schubert CD ein, die Steingraeber und Margulis bei der Musikmesse Frankfurt 2014 erstmals vorstellten.

Künstler zeigen sich von Sordino begeistert. So sagte beispielsweise Martha Argerich während Ihres Festivals in Lugano 2014: “…The sound of the piano increased in colour and capacity – a desire of every pianist.”

Der deutsche Pianist Martin Stadtfeld veröffentlichte im November 2016 seine CD “Chopin+”, die bei Sony Classical erschienen ist. Bei zahlreichen Stücken macht er von Sordino Gebrauch. Auch Paul Badura-Skoda zeigte sich beeindruckt von Sordino.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war diese Möglichkeit der Tonveränderung und -erweiterung zumeist wieder aus dem Kanon der verschiedenen Pedalfunktionen von Klavieren verschwunden. In Wien hielt man noch bis ins frühe 20. Jahrhundert daran fest, vielleicht aus Ehrfurcht vor dem berühmten Conrad Graf, der in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts alle seine Flügel mit dem horizontal verschiebbaren Rechen aus Filz bestückt hatte und das ganze „Moderator“ nannte. Erard verwendete für die vergleichbare Funktion in seinen Flügeln Hirschleder-Rechen und nannte den Klangeffekt „Celeste“. Die Komponisten bezeichneten diese Funktion als „Sordino“, denn die Klangveränderung ist dem Sordino der Streicher verwandt. Sordino hat nichts mit jener modernen Leisespielfunktion zu tun, die heutzutage als Nachbarschafts-„Schutz“ in Klaviere eingebaut und ebenfalls „Moderator“ genannt wird.

Technisch gesehen wird der Sordino-Klangeffekt durch einen sehr dünnen Filz hervorgerufen, der sich zwischen Hammer und Saite schiebt; sein Abstand zur Saite ist Null und so bleibt die Auslösung in ihrer normalen Regulierung bestehen. Die Führungen der Trägerleiste sind neben den Halterungen links und rechts auch in der Gussplattennase eingebracht; für den Weg der Horizontalverschiebung muss im Diskantbereich die Gussplatte angepasst werden. Die technische Ausarbeitung dieser schließlich doch recht komplexen Neuerung oblag im Steingraeber-Team insbesondere dem Klavierbauer Alexander Reul.

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Hugh Sung – Pianist, Autor, Techie und Unternehmer – testete Sordino und andere Innovationen bei der NAMM Show 2017.

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Jura Margulis sprach während der Frankfurter Musikmesse 2014 über Sordino (und Ratko Delorko über den Mozart-Zug, damals noch in der weniger gängigen Variante des Kniehebels).

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